Zum Begriff der Altersrente gemäß Ersatzkassentarifvertrag

Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 10.08.2011 – 11 Sa 192/11

Nach Ziff. 9.1.3 Satz 1 der Anlage zu 7 a zum EKT ist von einem gem. § 34 a EKT beurlaubten Angestellten „unverzüglich“ der Rentenantrag zu stellen, wenn die Voraussetzungen für den Bezug einer „Rente wegen Erwerbsminderung oder der Altersrente“ gegeben sind. „Altersrente“ i. S. der Tarifvorschrift umfasst auch die Altersrente für langjährig Versicherte i. S. d. § 33 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI (Rn. 40).

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 16.12.2010 – 4 Ca 1233/10 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ruhegeldansprüche im Rahmen einer Beurlaubung.

2

Der am 0.0.1947 geborene Kläger ist bei der Beklagten, die als Sozialversicherungsträger in der Rechtsform einer bundesunmittelbaren Körperschaft des öffentlichen Rechts verfasst ist, seit 1961 beschäftigt, und zwar zuletzt als stellvertretender Regionalgeschäftsführer der Regionalgeschäftsstelle A. zu einer Vergütung in Höhe von 0,00 € brutto monatlich. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Ersatzkassentarifvertrag – EKT – kraft arbeitsvertraglicher Verweisung Anwendung. Nach § 34 a EKT kann die Kasse den unkündbaren Angestellten, der das 59. Lebensjahr vollendet hat und dauernd außer Stande ist, die ihm obliegenden Aufgaben in vollem Umfang zu erfüllen und auf den andere, seiner Vergütungsgruppe entsprechende Tätigkeiten nicht übertragen werden können, beurlauben. Während der Beurlaubung besteht kein Anspruch auf Leistungen nach dem Tarifvertrag, soweit in Abs. 3 oder in den Anlagen zu diesem Tarifvertrag nichts anderes bestimmt ist. Nach § 34 a Abs. 3 EKT wird bei einer Beurlaubung nach Abs. 1 ein Gesamtruhegeld gem. Anlage 7 oder 7 a zum EKT gewährt. Für die Beklagte findet in § 34 a Abs. 3 EKT folgender Satz 2 Anwendung:

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„Das Beschäftigungsverhältnis endet am Vortage des Rentenbeginns.“

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Die Anlage 7 a zum EKT regelt in Ziff. 9 – Sonderfälle – Folgendes:

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„9 Sonderfälle

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9.1 Wird ein Angestellter gem. § 34 a EKT beurlaubt, wird ihm in entsprechender Anwendung der Nr. 5.2 ab dem Tag des Beginns der Beurlaubung ein Ruhegeld in Höhe des Gesamtruhegeldes gezahlt. Für die Anpassung des Gesamtruhegeldes gilt Nr. 5.6 entsprechend.

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9.1.3 Sind die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung oder der Altersrente gegeben, ist der Rentenantrag unverzüglich von dem gem. § 34 a EKT beurlaubten Angestellten zu stellen. Die Kasse kann nach § 34 Abs. 1 EKT feststellen lassen, ob diese Voraussetzungen vorliegen. Kommt der Angestellte der schriftlichen Aufforderung der Kasse, bis zum Ablauf des übernächsten Monats nach Erhalt der Aufforderung einen Rentenantrag zu stellen, nicht nach oder verzögert er schuldhaft die Bearbeitung des Rentenantrags, endet die Zahlung nach Nr. 9.1 mit Ablauf der gesetzten Frist.

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9.1.4 Die Zahlung des Ruhegeldes gem. Nr. 9.1 entfällt mit dem Tag der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. …“

10

Wegen des weiteren Inhalts der Anlage 7 a zum EKT wird auf die Anlage K 4 (Bl. 9 – 32 d. A.) Bezug genommen.

11

Im Laufe des Jahres 2002 kam es bei der Beklagten zu Umstrukturierungen, die zu einem Personalabbau führten. Zwischen den Parteien ist streitig, auf wessen Initiative es zu Verhandlungen über die Beurlaubung des Klägers analog § 34 a EKT kam. Jedenfalls fragte er mit Schreiben vom 23.09.2002 an, ob das Gesamtruhegeld bis zum 63. Lebensjahr bezahlt werde, sodass ein Bezug der Altersrente zum 01.05.2010 eintrete und wie hoch in diesem Fall „nach dem derzeitigen Stand“ seine Gesamtversorgung im Einzelnen (BfA-Rente, Ruhegeld und Pensionskasse) sein werde. Mit Schreiben vom 30.09.2002 bejahte die Beklagte die Möglichkeit, Altersrente zum 01.05.2010 zu beziehen, und verwies darauf, dass eine fiktive Berechnung der Versorgung nur auf Basis der heutigen Werte möglich sei. Mit Schreiben vom 06.11.2002 übersandte die Beklagte dem Kläger eine fiktive Berechnung des Ruhegeldes und der Pensionsbezüge nach der Anlage 7 a zum EKT bei Eintritt des Versorgungsfalles zum 01.05.2007 (Rente wegen Arbeitslosigkeit) oder zum 01.05.2010 (Altersrente) und fügte hinzu, dass sie diese Angaben nur unter Vorbehalt machen könne, weil sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht absehen könne, inwieweit sich die maßgebenden Werte sowie die tariflichen und gesetzlichen Bestimmungen noch verändern würden.

12

Am 18.12.2002 vereinbarten die Parteien eine Beurlaubung des Klägers analog der Bestimmung des § 34 a EKT ab 01.01.2003. Mit Schreiben vom 09.01.2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ab 01.01.2003 bis zum Eintritt des Versorgungsfalles ein Gesamtruhegeld entsprechend § 34 a EKT i. V. m. Ziff. 9 der Anlage 7 a zum EKT in Höhe von 75 % des letzten Bruttogehalts, d. h. in Höhe von 4.461,15 € brutto zahle. Des Weiteren forderte sie ihn auf, gem. Ziff. 9.1.3 der Anlage 7 a zum EKT rechtzeitig einen Rentenantrag wegen Arbeitslosigkeit zu stellen, deren Voraussetzungen er bei derzeitiger Rechtslage ab 01.05.2007 erfülle. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 17.01.2007, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 60. Lebensjahr derzeit nicht vorlägen und für ihn nach derzeitiger Rechtslage ein Anspruch auf Altersrente frühestens mit dem 63. Lebensjahr im Jahr 2010 bestehe. Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 10.12.2009 auf, einen Antrag für den Bezug der Altersrente ab 01.05.2010 mit Vollendung des 63. Lebensjahres zu stellen, und wiederholte diese Forderung mit Schreiben vom 09.03.2010. In diesem Schreiben wies sie ihn des Weiteren darauf hin, dass sie die Zahlung der Bezüge einstellen werde, sollte sie bis zum 30.04.2010 keinen Nachweis einer Rentenantragstellung durch ihn zum 01.05.2010 erhalten haben. Tatsächlich stellte der Kläger keinen Antrag auf Altersrente per 01.05.2010, woraufhin die Beklagte die Zahlung des monatlichen Ruhegeldes in Höhe von zuletzt 5.304,24 € brutto mit Wirkung zum 01.05.2010 einstellte.

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Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Fortzahlung seines Ruhegeldes entsprechend § 34 a EKT i. V. m. Ziff. 9 der Anlage 7 a zum EKT bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres begehrt.

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Zur Begründung hat er u. a. ausgeführt: Die Beklagte sei zur Einstellung der Ruhegeldzahlung nicht berechtigt. Weder die Vereinbarung vom 18.12.2002 noch § 34 a EKT bzw. Ziff. 9 der Anlage 7 a zum EKT verpflichte ihn, unter Inkaufnahme erheblicher Einbußen bei seiner Altersversorgung einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen. Ein auf das 63. Lebensjahr vorgezogener Rentenbeginn hätte für ihn eine lebenslange Einbuße bei seiner Gesamtversorgung in Höhe von 7,2 % seiner gesetzlichen Rente bzw. 9,6 % seiner Betriebspension zur Folge. § 34 a EKT verpflichte ihn nicht zur Rentenantragstellung. Ziff. 9.1.3 der Anlage 7 a zum EKT nenne lediglich die abstrakten Begriffe „Rente wegen Erwerbsminderung“ oder „Altersrente“, ohne dass dem EKT eine nachvollziehbare Definition des Begriffs „Altersrente“ entnommen werden könne. Es hätte einer ausdrücklichen Festlegung im Tarifvertrag bedurft, wenn er zur Antragstellung einer Altersrente für langjährig Versicherte hätte verpflichtet werden sollen. Vor dem Hintergrund der Zusicherung der Beklagten, ihm würden durch die Beurlaubung keinerlei Nachteile in seiner Altersversorgung entstehen, verbiete sich eine Auslegung des Begriffs „Altersrente“ dahingehend, dass auch ein vorzeitiger Rentenbeginn mit einer Minderung seiner Renten- und Pensionsansprüche erfasst werde.

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Der Kläger hat zuletzt beantragt:

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1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 01.05.2010 bis zum 30.11.2010 ein Ruhegeld von insgesamt 37.129,68 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 5.304,24 € seit dem 21.05.2010, 21.06.2010, 21.07.2010, 21.08.2010, 21.09.2010, 21.10.2010 und 21.11.2010 zu bezahlen.

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2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger im Zeitraum 01.12.2010 bis 30.04.2012 ein monatliches Ruhegeld entsprechend Anlage 7 a zum EKT zu zahlen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat die Auffassung vertreten, dass sie zurecht gem. Ziff. 9.1.3 der Anlage 7 a zum EKT die Zahlung des Ruhegeldes an den Kläger eingestellt habe. Dieser habe nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist bis zum 30.04.2010 einen Antrag auf vorzeitige Altersrente gestellt. Eine solche Pflicht ergebe sich aus Ziff. 9.1.3 der Anlage 7 a zum EKT. Der dort verwandte Begriff „Altersrente“ sei nach dem allgemeinen Verständnis als jedwede Art der Altersrente zu verstehen. In diesem Sinne werde der Begriff „Rente wegen Alters“ auch in § 33 Abs. 2 SGB VI verwandt. Die Tarifvertragsparteien hätten sich dieser gängigen Definition aus dem Rentenrecht bedient. Ein anderes Verständnis des Begriffs würde zudem ins Leere laufen. Denn § 35 Abs. 1 EKT regle bereits, dass das Beschäftigungsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Angestellte das 65. Lebensjahr vollendet habe, ende, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Mit der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ende aber auch eine etwaige Beurlaubung, sodass es einer gesonderten Regelung in Ziff. 9.1.3 der Anlage 7 a zum EKT nicht bedurft hätte.

21

Die Auslegung des Begriffs „Altersrente“ im umfassenden Sinne sei auch durch den Sinn und Zweck der Beurlaubungsregelung geboten, der darauf gerichtet sei, die Zeit bis zum Vorliegen der Voraussetzungen für den Bezug einer Erwerbsminderungs- oder einer Altersrente zu überbrücken und den Arbeitnehmer bis dahin finanziell abzusichern. Sobald die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente vorlägen, werde die finanzielle Absicherung anderweitig gewährleistet, sodass es gerechtfertigt sei, den betreffenden Arbeitnehmer auf die Stellung eines Rentenantrags zu verweisen.

22

Die Beklagte hat des Weiteren bestritten, auf den Kläger Druck zum Abschluss der Beurlaubungsvereinbarung vom 18.12.2002 ausgeübt oder ihm versichert zu haben, dass ihm keinerlei Nachteile bei der späteren Altersversorgung entstehen würden. Die Parteien seien ausweislich ihres Schriftwechsels im Jahr 2002 übereinstimmend davon ausgegangen, dass er zum frühest möglichen Zeitpunkt einen Rentenantrag stellen würde. Dies wäre im Falle der Arbeitslosmeldung durch den Kläger der 01.05.2007 gewesen, ansonsten der 01.05.2010. Deshalb hätte ihm klar sein müssen, dass Ziff. 9.1.3 der Anlage 7 a zum EKT nicht in der Weise auszulegen sei, dass ein Rentenantrag nur bei Vorliegen der Voraussetzungen für den Bezug einer Regelaltersrente unverzüglich zu stellen sei.

23

Das Arbeitsgericht Augsburg hat durch Endurteil vom 16.12.2010 der Klage stattgegeben. Der Kläger sei bis zum 30.04.2012 weiterhin ruhegeldberechtigt, weil sich aus dem EKT keine Verpflichtung für ihn ergebe, zum frühest möglichen Termin in Altersrente zu gehen. Es könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Tarifvertrag mit dem Begriff „Altersrente“ die verschiedenen Rentenarten gem. § 33 Abs. 2 SGB VI zugrunde gelegt hätte. Hiergegen spräche, dass in Ziff. 9.1.3 der Anlage 7 a zum EKT von „der Altersrente“ im Gegensatz zu „einer Rente wegen Erwerbsminderung“ die Rede sei. Wären sämtliche Altersrenten des § 33 Abs. 2 SGB VI gemeint gewesen, hätte es nahe gelegen, ebenfalls von „einer“ Altersrente zu sprechen. Im Übrigen regle die Anlage 7 a zum EKT an verschiedenen Stellen, etwa in Ziff. 4.8 und Ziff. 4.9, Fälle einer vorzeitigen Inanspruchnahme einer Rente, während die Tarifvertragsparteien von dieser Möglichkeit in Ziff. 9.1.3 keinen Gebrauch gemacht hätten. Die Auslegung, wonach Ziff. 9.1.3 der Anlage 7 a zum EKT lediglich den möglichen Bezug der Regelaltersrente meine, stehe nicht im Widerspruch zur Regelung des § 35 EKT. Nach der Regelung in Ziff. 4.5 der Anlage 7 a zum EKT werde auf das Gesamtruhegeld die vom ehemaligen Angestellten bezogene Rente angerechnet, wobei ein anrechenbarer Anspruch auf Altersrente die Stellung eines entsprechenden Rentenantrags voraussetze. Schließlich hätten die Tarifvertragsparteien in Ziff. 6.1 der Anlage 7 a zum EKT ausdrücklich bestimmt, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Umwandlung der Rente wegen Erwerbsminderung in die Altersrente diese zum frühest möglichen Zeitpunkt zu beantragen sei. Hieraus sei zu schließen, dass der Tarifvertrag einem Arbeitnehmer die Verpflichtung, zum frühest möglichen Zeitpunkt den Rentenantrag zu stellen, nur dann auferlege, wenn dies entsprechend deutlich formuliert sei.

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Gegen das ihr am 28.01.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24.02.2011 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28.04.2011 mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet.

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Die Beklagte hält unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags daran fest, dass dem Kläger kein Anspruch auf Fortzahlung des Ruhegeldes zustehe, weil er tarifvertragswidrig keinen Antrag auf Altersrente für langjährig Versicherte bis zum 30.04.2010 gestellt habe.

26

Eine solche Pflicht bestehe bereits nach dem Wortlaut der Ziff. 9.1.3 der Anlage 7 a zum EKT, denn in der Tarifvorschrift sei nicht zwischen den verschiedenen Formen der Altersrente, § 33 Abs. 2 SGB VI, unterschieden worden. Auch hätten die Tarifvertragsparteien den Umstand, dass sich die Gesetzeslage zwischenzeitlich geändert habe und vorzeitige Altersrente nunmehr eine Rentenkürzung bedinge, nicht zum Anlass einer Neuregelung genommen. Die Auslegung, alle Altersrenten unter dem Begriff der Altersrente zu fassen, entspreche auch dem Sinn und Zweck des Tarifvertrages und der Vereinbarung vom 18.12.2002. Arbeitnehmer seien nur so lange wirtschaftlich abzusichern, bis sie zum Bezug der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung berechtigt seien.

27

Dieser Auslegung stünden die Regelungen in Ziff. 4.5 der Anlage 7 a zum EKT nicht entgegen, weil sich im Falle der Beurlaubung die Anrechnung nach der Sonderregelung in Ziff. 9.1.2 richte. Mit Eintritt des Versorgungsfalles – hier der Gewährung der Altersrente – finde nach Ziff. 9.1.5 der Anlage 7 a zum EKT eine Neuberechnung des Ruhegeldes statt.

28

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 16.12.2010 – 4 Ca 1233/10 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

31

die Berufung zurückzuweisen.

32

Er verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Er sei nicht verpflichtet, Altersrente für langjährig Versicherte zu beantragen. Eine solche Verpflichtung ergebe sich bereits nicht aus dem Wortlaut der Ziff. 9.1.3 der Anlage 7 a zum EKT, da die Tarifvorschrift im Unterschied zu „einer“ Rente wegen Erwerbsminderung nur von „der“ Altersrente spreche. „Die“ Altersrente könne schon begrifflich nicht „alle“ Arten der Altersrente nach § 33 Abs. 2 SGB VI umfassen. Tatsächlich hätten die Tarifvertragsparteien zwischen den verschiedenen Altersrentenarten unterschieden, wie Ziff. 4.8 und 4.9 sowie Ziff. 2.2.2 der Anlage 7 a zum EKT belege, in der von einer „Altersrente als Vollrente“ als Rente ab dem 65. Lebensjahr die Rede sei.

33

Bei Auslegung des Begriffs „Altersrente“ als Regelaltersrente werde Ziff. 9.1.3 nicht obsolet, weil nach Ziff. 4.5 der Anlage 7 a zum EKT die Höhe des Ruhegeldanspruchs von der Gewährung der Altersrente abhängig ist und ein Rentenantrag deshalb unabhängig vom Bestand des Arbeitsverhältnisses erhebliche Bedeutung habe.

34

Zudem hätten die Tarifvertragsparteien, wären sie der Ansicht gewesen, dass Ziff. 9.1.3 der Anlage 7 a zum EKT auch die vorgezogene Altersrente unter Inkaufnahme von Rentenkürzungen erfasse, „sicher“ eine besitzstandswahrende Regelung für diese Arbeitnehmer eingeführt.

35

Schließlich sei mit der Vereinbarung vom 18.12.2002 lediglich eine analoge Anwendung des § 34 a EKT geregelt worden. Sinn und Zweck dieser Vereinbarung sei gewesen, den Kläger bei seiner Altersversorgung so zu stellen, wie er stünde, wenn er bis zum Erreichen der Regelaltersrente aktiv gearbeitet hätte. Auch deshalb sei er nicht zur Antragstellung einer Altersrente für langjährig Versicherte, die unstreitig mit Abschlägen einhergehe, verpflichtet.

36

Ergänzend wird wegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beklagten vom 28.04.2011 (Bl. 140 – 144 d. A.) und vom 21.07.2011 (Bl. 162 – 164 d. A.), den Schriftsatz des Klägers vom 06.06.2011 (Bl. 155 – 158 d. A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 03.08.2011 (Bl. 165 – 167 d. A.).

Entscheidungsgründe

I.

37

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO) und daher zulässig.

II.

38

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch des monatlichen Ruhegeldes für die Zeit ab 01.05.2010 aus keinem Rechtsgrund zu.

39

1. Die Beklagte ist zur Zahlung des monatlichen Ruhegeldes an den Kläger nicht aus Ziff. 9.1 der Anlage 7 a zum EKT verpflichtet, weil er nicht bis zum Ablauf der ihm gesetzten Frist am 30.04.2010 einen Antrag auf Bewilligung von Altersrente für langjährig Versicherte gestellt hat, Ziff. 9.1.3 Satz 2 der Anlage 7 a zum EKT, obwohl er hierzu nach Ziff. 9.1.3 Satz 1 der Anlage 7 a zum EKT verpflichtet war.

40

Nach Ziff. 9.1.3 Satz 1 der Anlage zu 7 a zum EKT ist von einem gem. § 34 a EKT beurlaubten Angestellten „unverzüglich“ der Rentenantrag zu stellen, wenn die Voraussetzungen für den Bezug einer „Rente wegen Erwerbsminderung oder der Altersrente“ gegeben sind. „Altersrente“ i. S. der Tarifvorschrift umfasst auch die Altersrente für langjährig Versicherte i. S. d. § 33 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI, die der Kläger unstreitig zum 01.05.2010 hätte beantragen können. Dies ergibt die Auslegung der Ziff. 9.1.3 der Anlage 7 a zum EKT.

41

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in der tariflichen Norm seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorrang, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. etwa BAG, Urt. v. 06.07.2006 – 2 AZR 587/05 -, NZA 2007, 167; Urt. v. 17.02.2009 – 9 AZR 611/07 -, NJOZ 2009, 2740; vgl. auch ErfK/Fran-zen, 11. Aufl. 2011, § 1 TVG Rn. 92 m. w. N.; Löwisch/Rieble, TVG, 2. Aufl. 2004, § 1 Rn. 554 ff.).

42

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass der Begriff „Altersrente“ i. S. der Tarifvorschrift alle in § 33 Abs. 2 SGB VI aufgeführten Rentenarten wegen Alters umfasst.

43

Der Begriff „Altersrente“ ist ein Oberbegriff, wie sich bereits daraus ergibt, dass besondere Formen der Altersrente durch Zusätze gekennzeichnet werden müssen. Folglich verwendet auch der Kläger zur Begründung seines Begehrens regelmäßig den Begriff „Regelaltersrente“. In diesem Sinne führt § 33 Abs. 2 SGB VI vier verschiedene Rentenarten wegen Alters auf, nämlich die Regelaltersrente, die Altersrente für langjährig Versicherte, für schwerbehinderte Menschen und für langjährige unter Tage beschäftigte Bergleute. Grundsätzlich verstehen Tarifvertragsparteien Begriffe, die auch im Gesetz mit Voraussetzungen und Folgen beschrieben sind, so, wie sie im Gesetz verstanden werden (vgl. BAG, Urt. v. 22.10.2002 – 3 AZR 468/01 -, NJOZ 2003, 1883). Dies gilt insbesondere für tarifliche Bestimmungen, die eine Verzahnung des Arbeitsverhältnisses mit den sozialrechtlichen Rentenbestimmungen beabsichtigen, wie dies mit der Anlage 7 a zum EKT der Fall ist.

44

Dieser Auslegung widerspricht nicht die Formulierung in Ziff. 9.1.3 der Anlage 7 a zum EKT in Bezug auf eine „Rente wegen Erwerbsminderung oder der Altersrente“. Die Tarifvertragsparteien haben keine solche Genauigkeit zugrunde gelegt, wie sie das Arbeitsgericht und ihm folgend der Kläger für ihre Auslegung berücksichtigen wollen. Auch im Jahr 2002 gab es nicht nur „die“ Regelaltersrente, sondern – wie insbesondere die Korrespondenz der Parteien, hier das Schreiben des Klägers vom 23.09.2002, belegt – auch eine vorgezogene Altersrente zum 63. Lebensjahr, wenngleich ohne Kürzung der Rentenbezüge. Ebenso findet sich in § 33 Abs. 1 und 3 SGB VI nicht der Begriff der Rente wegen Erwerbsminderung, wie ihn Ziff. 9.1.3 der Anlage 7 a zum EKT verwendet, sondern der „Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit“.

45

Für die Auslegung des Begriffs „Altersrente“ in Ziff. 9.1.3 der Anlage 7 a zum EKT als Oberbegriff, der die verschiedenen Rentenarten wegen Alters umfasst, spricht, dass die Tarifvertragsparteien in anderen Regelungen der Anlage 7 a zum EKT ausdrücklich an eine „Altersrente als Vollrente“ anknüpfen (Ziff. 2.2 und Ziff. 2.2.2). Dies belegt, dass sich die Tarifvertragsparteien durchaus der verschiedenen Rentenarten bewusst waren, sodass der Rückschluss erlaubt ist, dass bei Verwendung des Begriffs „Altersrente“ die verschiedenen Rentenarten wegen Alters gemeint sind. In diesem Sinne sind auch die vonseiten des Klägers angeführten Ziff. 4.8 und 4.9 der Anlage 7 a zum EKT zu verstehen, in denen als Voraussetzung jeweils genannt wird, dass die „Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vorzeitig in Anspruch genommen“ wird.

46

Der Sinn und Zweck der Ziff. 9 der Anlage 7 a zum EKT unterstreicht das Auslegungsergebnis. Bei einer Beurlaubung aus betrieblichen Gründen bis zum Eintritt des Versicherungs- oder Versorgungsfalles soll dem Angestellten nach dem Willen der Tarifvertragsparteien ein Ruhegeld gezahlt werden, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, in dem ein Bezug einer Erwerbsminderungsrente oder einer Altersrente möglich ist. Bis dahin soll der unkündbare, für die ihm obliegenden oder für andere Arbeitsaufgaben nicht mehr befähigte Angestellte finanziell abgesichert sein. Über diesen Zeitpunkt soll ihm ein Ruhegeld i. S. d. Ziff. 9.1 der Anlage 7 a zum EKT nicht zustehen, weil das Leistungshindernis in seiner Person begründet ist, § 34 a Abs. 1 EKT. Hiergegen kann nicht eingewandt werden, dass die Tarifvertragsparteien den Besitzstand der betroffenen Arbeitnehmer gewahrt hätten, wenn diese zum Bezug vorgezogener Altersrenten unter Inkaufnahme von Rentenkürzungen verpflichtet wären. Ausweislich der Regelungen in Ziff. 18 und 19 der Anlage 7 a zum EKT haben die Tarifvertragsparteien in bestimmten Fällen die Fortgeltung der bis zum 31.12.2003 gültigen Fassung der Anlage 7 a zum EKT vorgesehen. Wenn der hier vorliegende Sachverhalt nicht erfasst worden ist, lässt dies den Schluss zu, dass die Tarifvertragsparteien etwaige Verschlechterungen in den rentenrechtlichen Bezügen der betroffenen Arbeitnehmer, möglicherweise im Hinblick auf die noch aktiv Beschäftigten, für die die finanziell schlechteren Neuregelungen ebenfalls gelten, als zumutbar ansahen.

47

Das Auslegungsergebnis führt zu einer vernünftigen, sachgerechten und praktisch brauchbaren Regelung, die auch nicht im Widerspruch zu § 35 EKT steht. Sollte Ziff. 9.1.3 der Anlage 7 a zum EKT eine Pflicht zur Rentenantragstellung lediglich bei Vorliegen der Voraussetzungen für den Bezug der Regelaltersrente vorsehen, so würde sie keinen Sinn machen. Bereits nach § 35 Abs. 1 EKT endet das Beschäftigungsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Angestellte das 65. Lebensjahr vollendet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Mit Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses endet nach Ziff. 9.1.4 der Anlage 7 a zum EKT die Zahlung des Ruhegeldes gem. Ziff. 9.1. Ziff. 9.1.3 Satz 2 und Ziff. 9.1.4 Satz 1 würden dieselbe Rechtsfolge doppelt regeln, was keinen Sinn ergibt und nicht als dem Willen der Tarifvertragsparteien entsprechend unterstellt werden kann. Im Übrigen ist Ziff. 4.5 der Anlage 7 a zum EKT in diesem Zusammenhang nicht heranzuziehen. Das Ruhegeld im Fall der Beurlaubung wird nach Ziff. 9.1 der Anlage 7 a zum EKT „in entsprechender Anwendung der Nr. 5.2“ gezahlt. In Ziff. 5 der Anlage 7 a zum EKT ist die Höhe des Ruhegeldes in Frühfällen geregelt, während Ziff. 4 Regelungen für das reguläre Ruhegeld trifft. Darüber hinaus enthält Ziff. 9.1.4 der Anlage 7 a zum EKT die Anrechnungsregelung des „Ruhegeldes gem. Nr. 9.1“ und ist damit lex specialis gegenüber Ziff. 4.5.

48

Gegen die Pflicht des Klägers spricht schließlich nicht, dass Ziff. 6.1 der Anlage 7 a zum ETK bestimmt, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Umwandlung der einer Rente wegen Erwerbsminderung in die Altersrente „sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beantragen“ ist, während Ziff. 9.1.3 der Anlage 7 a zum ETK regelt, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen der Altersrente „der Rentenantrag unverzüglich von dem gem. § 34 a ETK beurlaubten Angestellten zu stellen“ ist. „Unverzüglich“ ist ein Rechtsbegriff des (§ 121 Abs. 1) BGB und bedeutet „ohne schuldhaftes Zögern“. Ein ohne schuldhaftes Zögern gestellter Antrag ist ein zu dem vom Antragsteller frühest möglichen Zeitpunkt gestellter Antrag. Im Übrigen formuliert Ziff. 9.1.3 der Anlage 7 a zum ETK ausdrücklich, dass die Rentenantragstellung durch den beurlaubten Angestellten vorzunehmen ist, und enthält für diesen im Unterschied zu Ziff. 6.1 der Anlage 7 a zum ETK eine klare Handlungsanweisung.

49

2. Die Beklagte ist zur Zahlung des monatlichen Ruhegeldes auch nicht aus der Beurlaubungsvereinbarung vom 18.12.2002 verpflichtet. Die Vereinbarung enthält keine über die Bestimmungen des § 34 a EKT hinausgehende Zahlungspflicht der Beklagten, da sie eine „Beurlaubung analog den Bestimmungen des § 34 a EKT ab 01.01.2003 vereinbart“ und mithin auf deren nähere Regelungen Bezug nimmt. Im Übrigen war dem Kläger im Herbst 2002 durchaus bewusst, dass Unsicherheiten in Bezug auf seine Gesamtversorgung zum Zeitpunkt des Bezugs der Altersrente zum 01.05.2010 bestanden. Er hat mit Schreiben vom 23.09.2002 konkret nachgefragt, wie hoch nach dem derzeitigen Stand seine Gesamtversorgung im Einzelnen (BfA-Rente, Ruhegeld und Pensionskasse) sein würde. Hierauf hat die Beklagte mit Schreiben vom 30.09.2002 dahingehend geantwortet, dass lediglich eine fiktive Berechnung möglich sei und diese nur auf Basis der damaligen Werte möglich wäre. Hiermit übereinstimmend hat sie ihm mit Schreiben vom 06.11.2002 „unverbindlich die fiktiv ermittelten Ruhegeld- und Pensionsbezüge“ mitgeteilt und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht absehen könne, „inwieweit sich die maßgebenden Werte sowie die tariflichen und gesetzlichen Bestimmungen noch verändern werden“. Auch aus der Korrespondenz der Parteien lässt sich deshalb nicht die Annahme begründen, sie hätten abweichend vom oben gefundenen Auslegungsergebnis für den Begriff der „Altersrente“ i. S. d. Ziff. 9.1.3 der Anlage 7 a zum EKT eine Rentenantragstellung nur bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Regelaltersrente vereinbart. Hiergegen spricht auch, dass sowohl die Beklagte als auch der Kläger einen Rentenbeginn wegen Alters per 01.05.2010, d. h. mit dem 63. Lebensjahr des Klägers, in ihrer Korrespondenz zugrunde gelegt haben.

50

3. Schließlich steht dem Kläger kein Anspruch auf Ruhegeld gem. Ziff. 2 der Anlage 7 a zum EKT zu. Dies setzt voraus, dass sein Beschäftigungsverhältnis wegen Eintritts des Versorgungsfalles geendet hat, Ziff. 2.1 und 2.1.1 der Anlage 7 a zum EKT. Da der Kläger keinen Antrag auf Altersrente für langjährig Versicherte gestellt hat, ist der Versorgungsfall nicht eingetreten und das Beschäftigungsverhältnis ruht gem. § 34 a EKT analog weiterhin.

III.

51

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

IV.

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Die Revision war gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, weil die Entscheidung auf der Auslegung eines Tatbestandsmerkmals eines Tarifvertrages beruht, der bundesweit gilt.

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